Montag, 28. Februar 2011

kleine Fluchten

Die letzten Tage waren geprägt von einem Tapetenwechsel. Dort, wo ich seit vielen Jahren immer wieder hingehe, hat sich Manches verändert und wird sich noch Manches verändern. Was bleibt ist der Wille zur Gestaltung und, in einem gewissen Ausmass, zur Selbstdarstellung. Pomp und funktionale Architektur stehen dicht beieinander. Das Leben pulsiert Tag und Nacht, und doch gibt es manche Oasen der Ruhe und Besinnung. Die Spuren der Geschichte sind überall sichtbar, auf Schritt und Tritt. Später sitze ich in einer der zahllosen Kneipen und lasse meinen Gedanken freien Lauf. Ich beobachte die Menschen, wie sie ihres Weges gehen - scheinbar zielstrebig und ohne Zögern. Unglaublich, wie sich das hier alles in den letzten 25 Jahren verändert hat. Wo es einst grau in grau war, ist es heute bunt und laut. Wenigstens äusserlich.

Ich mag diese Stadt, weil sie ihre Wunden nicht zuschütten will, sondern sich zu ihnen bekennt. Dies ist ihre grandiose Stärke.

Freitag, 18. Februar 2011

Kraftlos

In letzter Zeit läuft es nicht immer so, wie ich mir das wünschen würde. Pläne werden durchkreuzt, und wo noch kürzlich Hoffnung war, ist jetzt Leere eingetreten. Es ist nicht immer leicht, Vertrauen in das Leben zu haben, darauf zu vertrauen, dass "alles gut kommt". Die Kunst bestünde darin, namentlich mit Rückschlägen konstruktiv umgehen zu können, wieder aufzustehen und nach vorne zu blicken, dabei aber nicht in plumpen Zweckoptimismus zu verfallen.

Doch immerhin: wo die Kraft auch fehlt, so ist der Wille zu loben (Ovid).

Donnerstag, 17. Februar 2011

Nichts

Nichts - Alltag.
Zwar: eine Herausforderung hier, eine Herausforderung dort.
Ich nehme sie alle an. Auch spielerisch und mit Humor.
Und durchaus auch mit Erfolg.

Und doch: Alltag.
Grau.

Ich spiele den Clown.
Ich bin diszipliniert, stehe morgens wie ein Preusse auf.
Lese die Zeitungen, verfolge das Weltgeschehen.
Nachts wache ich regelmässig auf, ich schaue auf die Uhr: 0300 Uhr.
Dann drehe ich mich - links, rechts, links.
0330 Uhr.
So geht es weiter, 0420 Uhr.

Mit den Augen meiner Tochter betrachtet sieht es aber etwas bunter aus auf der Welt.
Diese Perspektive möchte ich nicht missen.

Donnerstag, 10. Februar 2011

Stagnation

Ich schreibe nicht mehr regelmässig. Weil ich müde bin und ich mich mental im Kreis bewege. Zwar geniesse ich durchaus die schönen Tage, die milde Sonne, Wanderungen in den Bergen, Ausflüge mit meiner Tochter, ein gutes Essen auch, gewiss, all dies verachte ich nicht. Und dennoch spüre ich in mir eine gewisse Stagnation. Von Aufbruch kaum eine Spur. Morgens stehe ich diszipliniert auf, dusche und rasiere mich, gehe meinen Pflichten nach. Freude kann ich durchaus empfinden, und das laute Lachen habe ich auch nicht verlernt. Das Joggen ebenso wenig.

Frage: Gibt es darüber hinaus so etwas wie ein donnerndes Leben?
Antwort: Ich muss bescheidener werden - so einfach und trivial dürfte der Befund sein.

Freitag, 4. Februar 2011

Das Paradoxon der Wahl

Wir sind uns namentlich im Westen daran gewohnt, aus verschiedenen Optionen das vermeintlich Beste für uns zu wählen. Wir sind stetig auf der Suche nach "Glück" und rennen ihm in der Tat aber bloss hinterher. Wir stehen vor unzähligen Optionen - soll ich nun von der Möglichkeit A, B, C oder D Gebrauch machen? - und wissen doch nicht, was wir wollen. Der Psychologe Barry Schwarz, so lese ich heute im Feuilleton der NZZ, nennt dies das "Paradoxon der Wahl".

Natürlich leide auch ich darunter. Ich zaudere oftmals vor wichtigen Entscheidungen und will mich "absichern" lassen, hole rechtzeitig den Rat von "Experten" ein, und liegen diese vor, lasse ich sie nochmals von anderen "Experten" auf ihre Tauglichkeit hin überprüfen.

Dabei wäre es ja an sich einfach: "Es gibt keine richtigen Entscheidungen, solange wir nicht lernen, mit den Entscheidungen, die wir getroffen haben, im Rahmen des Erträglichen zu leben". Das leuchtet mir zwar ein, und meiner Tochter sage ich jeweils auch: du hast dich jetzt für diese Musiklektionen entschieden - ziehe es jetzt durch und gib nicht gleich bei der ersten Schwierigkeit auf. Bloss: Im Hinterkopf treibt mich oftmals die Vorstellung an, alles könnte genau so gut anders sein.

Es ist nicht einfach -ich gebe es zu- mit dem, was man hat und was man ist, immer zufrieden zu sein und mit einem einmal gefällten Entscheid konfliktfrei zu leben. Mir jedenfalls fällt es schwer zu akzeptieren, "was ist". Eben: alles könnte genau so gut anders sein.

Klar ist: es gibt keine Alternativen zur gesellschaftlichen und individuellen Freiheit. Freiheit gibt es nicht zum Nulltarif, Freiheit muss eingeübt und immer wieder auch erkämpft und eingelöst werden, und: Freiheit ist immer auch mit Verantwortung verknüpft - für sich und für jene, die uns begleiten.

Donnerstag, 3. Februar 2011

Träume verwirklichen

Was sehen wir auf diesem kleinen Film?

Wir sehen eine Frau, die in ihrem Beruf Busfahrerin ist.
Sie lenkt grosse Fahrzeuge und bringt Menschen sicher von Punkt A nach Punkt B.

Aber eigentlich wollte sie Sängerin werden und auf grossen Bühnen auftreten.

Sie absolvierte eine Gesangsausbildung - doch aus dem Gesang wurde beruflich nichts - weshalb, weiss ich nicht. Sie konnte ihre Leidenschaft nicht zum Beruf machen.

Stattdessen ist sie also Fahrerin geworden.
Sie ist mittlerweile 49 Jahre alt und träumt immer noch ihren Traum, auf einer Opernbühne zu stehen und Arien von Rossini und Mozart zu singen.

Und nun stellt sie sich einem "TV-Wettbewerb" vor johlendem Publikum, das tobt und schluchzt, wenn es sie hören singt.

Warum hat sie es nicht geschafft, damals, nach ihrer Gesangsausbildung?

Ob sie statt auf der Bühne unter der Dusche singt? In der Badewanne?
Oder an Betriebsausflügen?
An Hochzeiten?

Wie viele Menschen können ihre Träume nicht verwirklichen?
Und warum können sie sie nicht verwirklichen?
Fehlt es an Glück, Zufall, Schicksal?
Fehlt es an Können?

Leidenschaft allein ist noch kein Garant für Erfolg - es braucht auch Ausdauer, viel Ausdauer.
Und Geduld.
Und Rückschläge, die zwangsläufig auftreten, sind zu erdulden.

Zudem:
nicht jeder, der ein Rindsfilet auf den Teller zaubern kann, wird gleich zum Starkoch befördert.
Und nicht jede, die auf dem Klavier Mozart spielt, bringt es zur Konzertpianistin.

Oder ist es dies:
will der Schreiner nicht mehr Schreiner sein (Peter Bichsel)?

Was treibt uns an im Leben?

Diese Busfahrerin will mir nicht mehr aus dem Kopf.
Was ist in ihrem Leben passiert?

Wäre sie glücklicher, hätte sie ihren Traum verwirklicht und stünde sie auf der Bühne des Opernhauses von Zürich oder Hamburg?

Was hätte sie tun müssen, um diesen Traum zu verwirklichen?
Mehr Mut zum Risiko?
Mehr Einsatz?
Oder hatte sie schlicht zu wenig Glück?
Fehlten die Beziehungen, das Netzwerk?
War sie nicht zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort?
Fehlte jemand, der ihr Mut zusprach und ihr jeweils zärtlich ins Ort flüsterte:
Du schaffst es, du schaffst es!?

Vielleicht müssen wir auch (wieder) lernen, mit dem zufrieden zu sein, was wir haben und sind.

Und gleichzeitig müssen wir Visionen haben, sonst leben wir nur in den Tag hinein.
Menschen brauchen Orientierung.
Und sie brauchen Zustimmung und Unterstützung in dem, was sie tun...und tun möchten.