Donnerstag, 31. März 2011

Trägheit

Heute erlebe ich einen etwas komischen Tag. Ich bin träge und in einer melancholischen Stimmung. Ich glaube nicht, dass dies mit dem aktuellen Wetter (grau und regnerisch, aber mild) zu tun hat. Auch das Schreiben fällt mir schwer und damit das Ordnen der Gedanken. Parallel zu diesem Zustand kommt eine gewisse Gleichgültigkeit zum Zug: wenig kann mich im Moment erschüttern, ob Japan, Libyen oder anderes mehr, ich nehme es bloss noch zur Kenntnis. Ich hänge ab bzw. lasse mich treiben, so könnte man dies auch benennen. Zwar erledige ich meine Pflichten ohne Murren, aber ich fühle dabei weder Freude noch Trauer. In letzter Zeit kann ich mich auch nicht mehr gut entscheiden, zaudere mal hier, mal dort. Das Einzige, was mich im Moment wirklich interessiert und wofür ich Energie auftreiben kann, ist meine Tochter. Sie ist ein fröhliches Kind, das Lebensfreude versprüht und zu Mozart laut singt und oftmals auch tanzt. Da kommt Leben in die Bude. Ferner brauche ich täglich meine Portion Musik, da kann ich ganz abschalten und mich meinen Tagträumen hingeben, in anderen Sphären schwelgen und die Gegenwart ganz vergessen. Da kommt mir in den Sinn: Süchtig wird man dann, wenn man die Gegenwart nicht erträgt. Also bin auch ich süchtig und brauche meinen Stoff, und sei dies halt Musik.

Ob ich so etwas wie eine Lebenskrise habe? Na ja, angesichts meines Alters wäre dies durchaus "logisch", meine midlife crisis durchzuleben. Offenbar muss ich jetzt da durch, es gibt keine Abkürzungen, diesen Weg muss ich gehen - mit offenem Ausgang.

Dienstag, 29. März 2011

Steinchen sammeln

Heute spätnachmittags habe ich mit meiner Tochter Steinchen gesammelt. Anfänglich hatte ich gar keine Lust dazu, mich nahe des Flussufers hinzusetzen und allerlei Steinchen zu sammeln.

Dadurch, dass ich mich ganz auf diesen Augenblick konzentrierte und nur noch ein Ziel vor dem Auge hatte, nämlich Steinchen zu sammeln, war ich bald einmal im Flow. Ich begann systematisch grosse und kleine Steinchen zu sammeln, weisse und bunt gefärbte, leichte und weniger leichte. Wir machten bald darauf ein Spiel, wer die buntesten Steinchen sammelt.

Dienstag spätnachmittags, die Sonne schien, es war beinahe windstill. Ich tat für eine Weile nichts anderes als Steinchen zu sammeln. Und spontan kam mir der Satz in den Sinn, wonach man seine Reisschale waschen müsse, wolle man zu mehr Erkenntnis gelangen.

So trivial ist das, und so wahr zugleich.

Nachtrag (2330 Uhr)
Mit diesem Lied gehe ich nun schlafen. Das Lied läuft mir den ganzen Tag nach. Woran dies liegt, weiss ich nicht.

Montag, 21. März 2011

Libyen

Ich sehe den jungen Mann vor meinem geistigen Auge, der gegen den damaligen NATO-Doppelbeschluss auf die Strasse ging, wie er mit Überzeugung für die Abschaffung der Schweizer Armee war, wie er Unterschriften sammelte für irgendwelche pazifistischen Anliegen. Ich mag diesen jungen Mann immer noch, obwohl er mir -diesbezüglich zumindest- fremd geworden ist. War er naiv? Das sicher auch. Er hatte sicher Ideale, hatte Visionen einer friedlichen Welt. Nicht, dass er dies heute nicht mehr hätte. Aber da ist Nüchternheit eingetreten und auch die Einsicht, dass man gegen bewaffnete Banditen und Verbrecher keine Tomaten werfen kann, weil dies nichts nützt. Wer Zivilisten abschlachtet, muss mit geballten Reaktionen der Völkergemeinschaft rechnen. Diesbezüglich bin ich um die UNO-Resolution 1973 froh.

Gewiss, der heute nicht mehr ganz junge Mann weiss auch, dass Aussenpolitik immer auch Interessenpolitik ist - und damit nicht frei ist von Zynismus. Natürlich ist zur Kenntnis zu nehmen, dass der Verrückte in Libyen auch mit westlichen Waffen eingedeckt worden ist und dass der Westen (aber nicht nur er) sehr wohl von seinem Öl profitierte. Dies alles spricht aber nicht dafür, einfach bloss hinzuschauen und nichts zu unternehmen.

Dass nun ausgerechnet China und Russland in ihrem blanken Zynismus das Völkerrecht bemühen und ob dem militärischen Eingreifen die Empörten spielen, kann hingenommen werden. Namentlich Putin, der Maulheld und Feldherr in Tschetschenien, der ganze Dörfer niederbrennen liess und nun von einem Kreuzzug schwafelt, sollte sich zügeln. Dasselbe gilt selbstredend für China, das nach wie vor widerrechtlich Tibet besetzt und alles daran setzt, dessen kulturelle Basis zu zerstören.

Wohin dies alles führt, weiss ich nicht. Eines müsste aber klar sein: militärische Interventionen, gestützt auf ein UNO-Mandat, dürfen keine Ausnahme (mehr) sein. Wer sich nicht an elementare Regeln des Völkerrechts hält, muss mit Konsequenzen rechnen, im Extremfall auch mit militärischen Interventionen.

Ich weiss, dass dies dem jungen Mann nicht gefällt.
Aber auch er muss zur Einsicht kommen:

nur wer sich ändert, bleibt sich treu (Wolf Biermann).

Samstag, 19. März 2011

Rastlose Lust um der Lust willen

Don Giovanni ist ein Narziss, kein Zweifel;
im Grunde liebt er nur sich selbst.
Die legendäre Zahl seiner Lieben (1003) ist nur darum nicht abstossend,
weil sie komisch ist.
Und komisch ist sie, weil sie zählt, wo es nichts zu zählen gibt.
Don Giovanni bleibt ohne Du.
Kein Liebender also.

Max Frisch

Grauer Samstagmorgen

Nieselregen, der Himmel ist wolkenverhangen. Dennoch muss ich früh aufstehen, weil ich sonst das Gefühl habe, etwas zu verpassen (einmal mehr). Die morgendliche Dusche und das anschliessende Frühstück haben mich gänzlich geweckt. Auf zu neuen Taten? Ach was, heute ist doch nur gestern, und morgen ist heute. Und doch will ich jeden Augenblick als einen in seiner Authentizität einmaligen Augenblick wahrnehmen. Wollen und Können sind allerdings zwei paar Schuhe.

Freitag, 18. März 2011

Melancholie des Freitagabends

Freitagabend - ich spüre so etwas wie den Freitagabendblues. Oder sollte ich von Freitagabendmelancholie sprechen? Ich habe mich frisch gemacht und erlebe so etwas wie ein déjà-vu: Ja, diese sonderbare Stimmung am Freitagabend kannte ich besonders gut als junger Mann. Damals glaubte ich, "alles" sei am Freitagabend möglich. Da hatte ich das Gefühl, etwas "anderes" als unter der Woche läge in der Luft, eine Spannung, eine nicht näher zu bestimmende Lust umgab mich, Neugier auch und etwas Abenteuerstimmung. So wie heute Abend. Aber ich weiss um die Illusion derselben, das ist schon viel. Enttäuscht kann ich nicht mehr werden (eine gewagte Aussage, ich bringe sie mit Vorbehalt an). So werde ich heute Abend statt dessen genüsslich in einer guten Quartierbeiz essen gehen, werde einen schweren Spanier geniessen und mit meinem vis-à-vis nett und durchaus auch anregend plaudern. Mehr will und kann ich nicht von diesem Freitagabend erwarten.

Und gleichzeitig durchlaufe ich Momente des akuten Zweifels. Ich hänge wie eine Spinne in einem Netz und spüre darunter die gähnende Leere. Dagegen hilft nur eines (ich brauchte sehr lange, um dies zu lernen und muss es doch immer wieder neu lernen): die Magie des Augenblicks erkennen und in ihr verweilen - tief durchatmen und den Augenblick -und nur ihn- wahrnehmen. Alles andere sind bloss Täuschungen und Irrwege, die auf Abwegen führen. Ich muss mich oftmals disziplinieren, diesen Augenblick überhaupt wahrzunehmen und mich nicht in spekulativem Denken und Fühlen zu verlieren.

Freitagabend. Die Abenddämmerung setzt ein, der Tisch ist reserviert. Ich habe vor mir einen netten Abend. Das ist doch schon viel, ich bin mir dessen bewusst und werde es dementsprechend auch zu schätzen wissen - ohne jegliche Euphorie.