Montag, 30. April 2012

Warten

Nietzsche genoss das Warten auf Nichts. Dies gelingt mir nur dann, wenn ich in meiner Mitte und damit ganz geerdet bin. Und erst dann habe ich eine Ahnung dessen, was er mit dem selbstlosen Warten meinte. Doch ein Warten, das an Erwartungen geknüpft ist -ausgesprochene wie auch unausgesprochene-, vermag nie dieses spezifische, von allen Illusionen befreite Gefühl des ganz-in-der-Zeit-sein auszulösen. 

Donnerstag, 26. April 2012

Randnotizen

Sog. "Fernbeziehungen" -wie diese konkret auch immer aussehen mögen- reizen vielleicht auch deshalb, weil sie den Elchtest des realen Alltags nie werden bestehen müssen. Alles bleibt im Zauberhaften, das sich dem Mühsal des täglichen Lebens zu entziehen vermag.
Womit a priori nichts gegen "Fernbeziehungen" einzuwenden wäre.
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Wer vom Leben nur Rosen erwartet, verdrängt oftmals, dass diese auch Stacheln tragen. Nur der Kontrast schafft Spannung im Leben.
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Euphorische Menschen sind mir suspekt. Ihnen fehlt die kritische Distanz, namentlich zu sich selbst.
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Schweigen ist die dümmste Form menschlicher Kommunikation.
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Heute beim Mittagessen mit einem Kollegen, der mir mit verdecktem Stolz Aufnahmen seines neu erworbenen Hauses zeigte, verspürte ich für einen kleinen Augenblick so etwas wie Neid:  ich erwischte mich beim Gedanken: wie hat dieser Mensch das bloss verdient? Und womit? Neid ist kein schönes Gefühl. Es fühlt sich vielmehr widerlich an.
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Wenn die Leidenschaft fehlt, fehlt das Feuer. Und ohne Feuer kann es kein Leben geben. 

Montag, 23. April 2012

Heute um 1750 Uhr

Heute spätnachmittags nach der Arbeit unterwegs im Quartier mit meiner Tochter. Wir durchstreifen die uns vertrauten Strassen, gehen auf die Post, kaufen etwas ein. Ich schaue auf die Uhr: 1750 Uhr. Solche Momente des banal anmutenden Alltäglichen mag ich, ja manchmal möchte ich sie gleichsam einfrieren, konservieren, um ganz im Moment verharren zu können, um trotzig dem Lauf der Zeit und damit dem Lauf des Vergänglichen ein Schnippchen zu schlagen. Heute wünschte ich mir, es möge einfach 1750 Uhr bleiben, und dies nicht nur eine Minute lang. Doch meine Armbanduhr tickte gnadenlos und präzise weiter.

Ich sehne mir noch manche solche 1750 Uhr-Momente herbei, die -wenn auch nur scheinbar- sich dem Fluss der Zeit entgegenstellen und uns für einen Augenblick ein tiefes Durchatmen erlauben und uns eine zeitfremde Insel verschaffen und uns damit im Glauben lassen, dass nicht alles dem Diktat des Vergänglichen untergeordnet ist. 

Freitag, 20. April 2012

Aufgekratzt

Das Gefühl, überarbeitet zu sein, fühlt sich sonderbar an: man ist müde und gleichzeitig doch auch aufgekratzt. So wie ich heute Abend. Die Sonne scheint, der Himmel mit wunderschönen Wolken verziert: da will ich auf den Putz hauen, Bäume ausreissen, weil die Energie einfach raus will und raus muss. Zu viel denken ohne Ausgleich ist einfach ungesund.

Und ansonsten registriere ich eine wohltuend angenehme innere Leere, die ich gar nicht weiter bewerten will.

Dienstag, 17. April 2012

Diktate über Sterben und Tod

Wieder einmal in Peter Nolls Diktate über Sterben und Tod gekramt. Daraus für heute Abend notiert:

Da wir mit dem Tode leben, sollten wir auch im Leben an ihn denken. Wichtig und hilfreich ist es, vorher abzurechnen, die Summe zu ziehen. Der Pfarrer müsste dem Publikum klarmachen, dass jeder der nächste sein kann, der drankommt, dass alle drankommen, dass es gut ist, sich darauf einzurichten und dass es dann vielleicht ganz leicht werden kann ...
Was liebt man am meisten an einer Frau, und weshalb verliebt man sich in sie? Fetischismen spielen sicher eine grosse Rolle; für mich war es immer vor allem der Geruch - da bin ich wie ein Hund; natürlich das Aussehen, die Bewegungen und eben die Stimme. Nach gewissen Beschreibungen soll der letzte Sinn, der vor dem Tode ausgeschaltet wird, das Gehör sein. Man hört also kurz vor der totalen Bewusstlosigkeit noch, wie die Ärzte oder Krankenschwestern zueinander sagen: Jetzt ist er tot; Exitus; wir können abschalten ...
Morgen fahre ich zu Max Frisch nach Berzona. Vom Tiefpunkt aus kann jede Bewegung nur nach oben führen. Diese letzte Zeitspanne fordert mehr als jede frühere. Nicht wissen, wie es weitergeht, mit dem Beruf, mit der Krankheit, dem Sterben. Und mit denjenigen, die mich dann nicht mehr haben werden, vor allem mit (den Töchtern) Rebekka und Sibylle. Dauernd denke ich an die beiden. Irgendwo möchte ich eine ganz heile Welt für sie zurücklassen, was natürlich unmöglich ist. Ständig fallen mir neue Kosenamen für sie ein, zu all den alten hinzu ...

Sonntag, 15. April 2012

Danke, Eva

Dieser Sonntag war eigentlich ganz nach meinem Geschmack, wettermässig zumindest: grau, verregnet, kühl. Das gefällt mir, zeitweise zumindest. Nichts ist langweiliger als ständig blauer Himmel. So wie ständige Harmonie ein nicht erträglicher Zustand wäre. Kontraste machen das Leben lebenswert,  Widersprüche sind Motoren der Erkenntnis.
Nichts ist so anfällig auf Krankheiten wie Monokulturen.

Ein Glück, dass Eva vom Baum der Erkenntnis ass. 

Samstag, 14. April 2012

Und doch keine Beruhigung

Das Gefühl (oftmals verpackt als Wahrheit), die eigene Biografie "im Griff" zu haben, beruhigt. Gestern habe ich das geschrieben. Doch auch jenes Gefühl vermag nicht wirklich zu beruhigen. Es bleibt bei der Konstruktion der eigenen Biografie letztlich beim Versuch, dem bisher gelebten Leben Sinn abzuringen, diese oder jene frühere Entscheidung nachträglich als geglückt oder zumindest doch als "richtig" zu taxieren, kurz: den bisherigen Lebensweg in seiner Summe als gelungen zu bezeichnen. Es gibt sehr wohl Menschen, die von ihrem Weg felsenfest überzeugt sind. Oder hegen auch sie zeitweise Zweifel darüber, ob sie stets "das Richtige" getan haben? 

Rebecca Ferguson

Schlicht schön.
Und was für eine Stimme!


Dieses Video ist in Deutschland offenbar nicht abspielbar - ärgerlich!
Über diesen Link sollte es aber klappen - wir lassen uns doch nicht ins Bockhorn jagen :-)!
http://bcove.me/i4t9csq9

14. April 2002/1992/1982

Beim Zähneputzen habe ich mich spielerisch gefragt, was ich vor 10 Jahren, also am 14. April 2002, gemacht habe. Ich konnte es annäherungsweise beantworten. Und am 14. April 1992? Auch rekonstruiert, ebenso was den 14. April 1982 anbelangt. Spannender wäre die Frage, was ich aus dieser Zeit gemacht habe. Die Beantwortung dieser Frage fällt mir allerdings nicht so leicht.

Das Gefühl (oftmals verpackt als Wahrheit), die eigene Biografie "im Griff" zu haben, beruhigt. 

Donnerstag, 12. April 2012

Zwei kleine Jungs

Zwei kleine Jungs spielen stundenlang auf bzw. mit dem Eis des halbwegs zugefrorenen See. Mittels spitzen Steinen, Stöcken und viel Kraftaufwand versuchen sie, durchwegs sorgfältig geplant, Löcher in das Eis zu bohren bzw. zu schlagen. Staunende Mädchen machen mit, feuern an, suchen ihrerseits nach weiteren spitzen Steinen nahe des Seeufers und hoffen, dass das unter der Eisoberfläche unruhig und schwarz wirkende Wasser bald einmal durch das noch nicht gänzlich offene Loch schiesst. Die Jungs schwitzen wie verrückt, feuern sich gegenseitig an, besprechen laufend den Sachverhalt, harren aus, derweil die Füsse schmerzen und die Hände sowieso.

Später wird sie der kalt schneidende Wind zwingen, ihr Vorhaben frühzeitig abzubrechen. Gut gelaunt und befreit von schweren Gedanken ziehen sie von dannen, müde, abgekämpft und mit dem wohligen Gefühl, wieder einmal etwas Handfestes getan zu haben. Die Mädchen protestieren (wir wollen fischen! wir wollen fischen!) und sind insgeheim froh (die kalten Füsse!), das Eisfeld räumen zu können.

Die Jungs sind in Wahrheit längst erwachsen und konnten wieder einmal Kind sein. Später, beim gemeinsamen Nachtessen, werden sie kichernd an ihr Abenteuer denken, etwas fachsimpeln und sich gegenseitig zuprosten. Wie Jungs von damals. Nur dass sie mittlerweile schon etwas älter geworden sind. 

Mittwoch, 11. April 2012

Kalt erwischt

Kaum zurück aus dem Kurzurlaub, hat es mich wieder erwischt: voller Terminkalender.
Ich bin schon jetzt müde, nur wenn ich daran denke, was ich alles noch machen sollte. Wochenende eingeschlossen.

Aber ich lasse mich nicht auf diese mentale Falle ein, ich versuche wenigstens, Widerstand zu leisten.


Versuche, von dem zu zehren, was ich in den letzten Tagen erleben durfte an Ruhe und dem sich-treiben-lassen.
Ich denke an die dunkle Nacht und die tanzenden Schneeflocken, an das dicke Eis auf dem See, das wir beim nachmittäglichen Spiel zu durchbohren versuchten mit Steinen und Stöcken.
An die nassen Schuhe und verkühlten Füsse, die sich später in der Sauna der wohligen Wärme aussetzen durften.
Und ich denke an die Lärchen, wie sie sich, dem starken Wind ausgesetzt, heftig hin und her bewegten und dazu scheinbar ein Lied pfiffen.
Und an manch Anderes mehr. 

Sonntag, 8. April 2012

Frohe Ostern


Ich mag Bach - nicht nur zu Ostern.
Wünsche allen ein erfolgreiches Ostereiersuchen ! :-)

Samstag, 7. April 2012

Gute-Nacht-Lied

Ostern

Mal ganz ehrlich: wie kann man heute in einer säkularen Welt noch an die Auferstehung glauben? Meine Tochter wird mir morgen anlässlich von Ostern bestimmt wieder fragen, wie es denn möglich sei, dass ein Mensch von den Toten auferstehen kann. Seit sie im kirchlichen Unterricht ist, treibt sie diese Frage an. Ich mache es mir diesbezüglich vielleicht zu einfach und antworte jeweils, dass es für diese Frage keine richtige oder falsche, jedenfalls keine endgültige Antwort geben könne. Natürlich ist es aus einer wissenschaftlichen Sicht schlicht nicht vorstellbar, dass ein Mensch von den Toten aufersteht. Aber darum geht es hier, so meine ich, nicht. Es geht für mich eher um die Idee, dass mit dem Tod nicht alles beendet ist, dass das Leben vielmehr - in mutierter Form- weitergeht.

Doch ich gebe zu, dass ich als Agnostiker bei solchen Themen eher hilflos dastehe und versuche, meine Sicht der Dinge verständlich und jedenfalls nicht religiös verbrämt darzulegen, ohne dabei eine absolute Wahrheit beanspruchen zu wollen. Weil es die ohnehin nicht gibt. So werden wir morgen ein schönes Osterfest in den verschneiten Bergen feiern und uns ganz dem Leben widmen. Nach jedem Regen kommt die Sonne, nach jeder Katastrophe keimt wieder Hoffnung auf: ich denke, dass gerade Ostern als ein Symbol der Hoffnung und letztlich des Lebens verstanden werden kann. 

Donnerstag, 5. April 2012

Mystische Landschaft

Geheimnisvolle Landschaft.
Lust, sie durchzuwandern,
die Kälte auf meiner Haut zu spüren.
Doch gleichzeitig eingehüllt sein im wärmenden Licht.
Kalt
und doch
so warm.






Dienstag, 3. April 2012

Gute-Nacht-Lied

Beseeltes Schweigen

Zum Beispiel
eine Stadt gemeinsam erleben.
Durchwandern.
Dieses und jenes erleben.
Eine Kirche vielleicht.
Ein Museum.
Ein Restaurant.
Eine Brücke.
Eine Allee.
Shopping.
Später
im Konzertsaal.
Doch was
wenn man wohl dasselbe sieht
und dennoch das Wesentliche anders erlebt?
Wenn man
nicht dieselbe Sprache spricht, obwohl beide Deutsch sprechen?
Was
wenn kein emotionaler Austausch möglich ist
ob dem
was man sieht
vernimmt
spürt
hört
mutmasst
riecht?
Dann
bleibt bloss dumpfe Einsamkeit zurück
getarnt als Zweisamkeit.

Und das pure Gegenteil
wäre
ein nicht geäusserter Gedanke
blosse Andeutungen
beseeltes Schweigen
kleinste Berührungen.
Die alles erklären
und jedes gesprochene Wort
überflüssig machen.

Sonntag, 1. April 2012

Gedankenspiele um die eigene Biografie

Zeitweise neige ich zur Manie mir zu überlegen, was ich an bestimmten Tagen vor exakt 20 oder 25 Jahren tat. So auch heute. Und ich sitze da und lasse meinen Gedanken freien Lauf. Die mich seit Jahren antreibende und an sich absurde Frage, was ich denn damals - in dieser oder jener Situation - anders hätte machen sollen/können, nimmt wieder Besitz von mir. Ich will sie abschütteln, da sie mich im Endeffekt nicht weiterbringt. Und doch - das zeitweilige Reflektieren über "wie hätte es auch sein können", kann ich nicht locker beiseite legen. Auch heute nicht - wohl deshalb, weil das gedankliche Spiel um die eigene Biografie auf spielerische Weise alternative Lebensentwürfe zum Leben erweckt. Die letztlich entscheidende Frage, ob ich heute glücklicher wäre, hätte ich damals dieses oder jenes anders gemacht/gewichtet/beurteilt, bleibt dabei, natürlich, hypothetischer Natur. Und doch lockt sie mich immer wieder.

Sie hatten die Wahl, Ihre Biografie zu ändern, das wünscht man sich manchmal, und was dabei herauskommt: Variationen des Banalen. 
Max Frisch, Biografie - ein Spiel.